Canen in der Schule


Und dann gibt’s da noch den Cane…


In meinem letzten Blogpost hatte ich ja schon über meinen Französischunterricht berichtet und erklärt, wie anders das Unterrichten hier aufgebaut ist. Was ich noch nicht erwähnt hatte, ist, dass das Erlernen von Disziplin und Gehorsam hier einen ganz hohen Stellenwert hat. Und dieser Gehorsam wird durch das Erteilen von Bestrafungen durchgesetzt. Eine mündliche Note wird nicht vergeben, dass heißt die Benotung fällt als Druckmittel schon einmal komplett raus. Die gängigste Bestrafung hier ist das canen. Der Cane ist ein länglicher Schlagstock aus Holz. Mit diesem werden die Kinder auf die Hände und oft auch auf den Kopf, auf den Nacken oder auf den Rücken geschlagen. Eine weitere Art der körperlichen Bestrafung ist das kneelen. Hierbei werden die Kinder gezwungen, sich für längere Zeit auf den Boden zu knien und ihre Arme hoch zu halten. Beides ist hier alltäglich und gehört für die meisten Lehrer einfach zum Unterrichten beziehungsweise zum Erziehen dazu. Ich begegne tatsächlich selten Lehrern, die gerade keinen Cane in der Hand halten. Gerade weil mir die Kinder immer mehr ans Herz wachsen, ist es natürlich sehr schwer sich so etwas mit an gucken zu müssen. Aber ich weiß, dass das Schlagen als Bestrafung erst zu Zeiten des Kolonialismus hier eingeführt wurde und seitdem so in der Erziehung hier verankert ist, dass man es faktisch einfach nicht von heute auf morgen abschaffen kann. Zudem befinde ich mich überhaupt nicht in einer Position, in der es gerechtfertigt wäre, die Lehrer eines Besseren zu belehren. Deshalb habe ich mich bisher eher zurückgehalten, auch wenn es mir in manchen Situationen schwer fällt. Grandpa ist glücklicherweise gegen das Canen und hat auf der ersten Schulkonferenz den Lehrern deutlich klar gemacht, dass das Canen verboten ist. Daran halten tut sich aber niemand. Die meisten der Lehrer sind nicht als solche ausgebildet, nur wenige haben schon studiert und viele sind auch noch sehr jung (zum Teil erst ungefähr so alt wie ich). Sie sind also (genau wie ich) noch relativ unsicher und Ich glaube, dass das auch ein Grund ist, weshalb der Cane bei vielen einfach genutzt wird, um sich gegenüber den Kindern durchzusetzen. In den letzten Tagen gab es allerdings einige Situationen die mich so gestört haben, dass ich nun doch überlege, ob ich mal mit Grandpa und den entsprechenden Lehrern vorsichtig über meine Wahrnehmung dieser Situationen reden sollte. Was mich zum einen sehr belastet, ist, dass die Lehrer auch in meinem Unterricht canen. So fühle ich mich in die Sache mit reingezogen und ich möchte eigentlich kein Teil des canens sein und einen „cane-freien“ Unterricht geben. So habe ich oft total eingeschüchterte Kinder vor mir sitzen, die sich nicht trauen etwas zu sagen oder auch mal die ganze Stunde weinen weil der Lehrer sie so schlimm geschlagen hat. Heute zum Beispiel, hatte ein Junge in der ersten Klasse kein Heft dabei (es kann gut sein, dass seine Eltern es einfach noch nicht bezahlen konnten). Ich bin zu ihm hin gegangen und habe ihn gefragt, wo sein Heft ist und warum er mein Tafelbild nicht abschreibt. Bevor ich mir überlegen konnte, was ich jetzt mit ihm mache, stand die Klassenlehrerin auf, die hinten in der Ecke Hausaufgaben korrigiert hat. Der Junge sprang auf einmal total panisch auf, lief in eine Ecke des Klassenraumes und fing an laut zu weinen, aus tiefster Panik heraus zu schreien und sich die Hände über den Kopf zu halten. Alleine dieses Verhalten, macht deutlich, dass er schon öfter brutaler von der Lehrerin bestraft worden ist. Die Lehrerin hat ihn dann von den anderen Kindern fangen und festhalten lassen und ihn mehrmals brutal auf den Nacken, den Rücken und sogar den Kopf geschlagen. Ich hab das angsterfüllte Gesicht des Kindes (das war in der 1. Klasse!) immer noch vor Augen und leider ist dies eine von vielen Situationen, die ich in meinem Unterricht miterleben musste.  Die Lehrer beeinflussen sich auch gegenseitig und das Canen hat mittlerweile so ein schlimmes Ausmaß angenommen, dass sich schon Eltern beschwert haben, ihre Kinder würden sich nicht mehr in die Schule trauen. Ich musste auch schon oft morgens mitansehen, wie die Kinder schreiend und weinend und total panisch quasi in die Schule gezogen werden mussten. Die Klassenlehrer meiner Französischkinder haben mir auch schon mehrmals ihren Cane angeboten, als es in der Klasse mal etwas unruhiger war. Durch meine ablehnende Reaktion, hat sich nun auch bei den Kindern verinnerlicht, dass ich nicht cane. Das sorgt dann manchmal dafür, dass sie total unruhig sind und überhaupt nicht auf mich hören, wenn ich mit ihnen alleine in der Klasse bin. Schließlich können sie sich das bei mir „erlauben“. Kommt ein Lehrer in die Klasse, sind sie dann aber sofort total leise und brav. Wenn es dann mal klappt, dass ich alleine mit ihnen in der Klasse bin und der Unterricht gut funktioniert und dann der Klassenlehrer wieder kommt, bin ich immer besonders stolz, da wir dann sozusagen gezeigt haben, dass es auch ohne canen klappen kann. Es ist also ein sehr schwieriges Thema… ich möchte nicht mehr zugucken wie Kinder geschlagen werden aber bekomme gleichzeitig mit, wie die Kinder einen überhaupt nicht als Autoritätsperson wahrnehmen, wenn man sie nicht schlägt. Ich hoffe einfach, dass das canen zumindest weniger wird und die Anzahl der Stunden in denen es gut klappt, obwohl ich alleine mit den Kindern bin zunimmt.

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