Blenden und Erleuchten - Herausforderungen im Freiwilligendienst

 14-04-2019


Ich stehe alleine nachts an der NewRoad. Es ist Samstag der 14. April. 2019 und heute ist der Tag an dem meine Familie am Kotoka-Flughafen in Accra ankommen wird. Immer wieder rasen die hellen Lichter der Autoscheinwerfer an mir vorbei. Sie wirken fast wie Augenpaare die sich mir im atemberaubenden Tempo nähern, mich dabei anstarren, um dann genau so schnell wieder an mir vorbei zu zischen. Durch die Dunkelheit kann ich überhaupt nicht erkennen, ob es sich bei den Augenpaaren um Taxis, Pkws, Lieferwagen oder ein für mich bestimmtes Trotro handelt. Deshalb strecke ich auf gut Glück ab und zu meinen Arm heraus, in der Hoffnung, dass unter den rasenden Lichtern ein Accra-Trotro dabei ist. 
Schon nach  10 Minuten der Warterei, kriecht das mulmige Gefühl, dass ich bisher nur in meinem Bauch gespürt hatte, bis in meine Brust herauf. Was ist, wenn um diese Urzeit gar keine Trotros mehr nach Accra fahren? Und selbst wenn, sehen sie mich in der Dunkelheit überhaupt früh genug, um bremsen und anhalten zu können? Während ich so grübele, sehe ich, wie sich mir am Horizont ein Augenpaar auf der rechten Spur langsamer als die anderen nähert. Es tuckert mir geradezu gemütlich entgegen. Es könnte sich um ein altes, klappriges Trotro handeln! Ich habe tatsächlich Recht! Als ich meinen Arm herausstrecke und winke, wird das Gefährt noch langsamer und die schwachen Lichter der Scheinwerfer zeigen, dass es sich um ein Trotro handelt. Der Fahrer streckt seinen Kopf aus dem Fenster und schaut mich fragend an. „Circle“ rufe ich ihm entgegen, wobei sich meine Stimme unangenehm quitschig anhört. Na toll. Wieso muss meine Stimme auch meine Aufregung offenbaren? Ich rege mich über mich selber auf. Mittlerweile ist das TrotroFahren für mich doch das normalste der Welt, wieso die ganze Aufregung? Liegt es vielleicht daran, dass ich noch nie in der Dunkelheit alleine nach Accra gefahren bin? Hoffentlich erkenne ich überhaupt meine Ausstiegsstelle! Oder es liegt daran, dass ich nicht genau weiß, wie ich zum Flughafen kommen soll? - ich muss in dem Gewusel der Hauptstadt das richtige Trotro finden, an der richtigen Stelle aussteigen und dann wahrscheinlich den restlichen Weg zu Fuß finden. Es könnte aber auch schlichtweg daran liegen, dass ich gleich meine Familie nach 8 Monaten das erste Mal wieder zu Gesicht bekommen werde - Hoffentlich. Es wäre nämlich nicht meine Familie, wenn sie nicht ihre Impfausweise zuHause vergessen hätten. Und ohne die Bestätigung der GelbfieberImpfung darf man eigentlich nicht in das Land einreisen... Ja, das alles wird wohl der Grund für meine Aufregung sein. Doch trotz dieser Sorgen, durchströmt mich ein Glücksgefühl, während ich im Trotro sitze, welches sich im gemächlichen Tempo immer weiter von der SygmaSchool entfernt. Diese Nacht wird zwar noch ein paar Herausforderungen für mich bereit halten, aber zumindest die erste habe ich jetzt schon mal bewältigt und genau das ist das schöne an meinem Leben hier in Ghana: Schon bald wird sich das Lichtermeer von Accra vor mir ausbreiten und kurze Zeit später bin ich dann mittendrin - von den vorbei rasenden Augenpaaren an der NewRoad bis hin zu den grellen Scheinwerfern des Flughafens. Ein Freiwilligendienst im Ausland steckt voller Herausforderungen. Alles ist neu und fremd und eben auch aufregend. Das kann zwar manchmal anstrengend und angsterregend sein, aber vor allem ist es lehrreich! Man wird dazu gezwungen, Herrausforderungen anzunehmen, sie auf die eigene individuelle Art zu bewältigen und dabei über sich selbst hinauszuwachsen. Hier in Ghana werde ich fast jeden Tag mit ungewohnten Situationen konfrontiert und das ist unglaublich erfrischend! Ich merke immer wieder, wie gut es tut, sich aus dem Alltagstrott, der „Komfortzone“ herauszubewegen. Das Leben kann so spannend und schön sein, wenn man mutig genug ist, sich darauf einzulassen.


Wenn mich das nächste Mal die Augenpaare an der NewRoad anstarren? Dann grinse ich sie an und starre frech zurück!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Sygma Child School

Ein Wochenende in Sakyikrom