Ich werde vermissen


Ich werde vermissen.


Ich werde vermissen, die Nachmittage, an denen wir an der NewRoad standen, bereit ein Trotro heranzuwinken, um uns in ein neues Abenteuer zu stürzen, den süßlichen Geschmack von Lisas Erdbeerbonbons im Mund und die Vorfreude auf das Wochenende im Bauch.

Ich werde vermissen, den ewigen Sommer Ghanas, mit den warmen Sonnenstrahlen auf der Haut, dem FanIce von der Straße und den oftmals wunderschönen Sonnenuntergängen.

Ich werde vermissen, die Umarmungen der Kinder, ihre leuchtenden Augen, das strahlende Lächeln, die Leichtigkeit, Unbekümmertheit, die sie ausstrahlen und übertragen.

Ich werde vermissen, die Schulstunden, die im positiven Sinne überrascht haben. Wenn die Leistungen und das Verhalten der Schüler die gesetzten Erwartungen übertreffen. Wenn sich die Sorge vor Überforderung und Respektlosigkeit in Spaß und Zufriedenheit wandelt. Wenn ich den Klassenraum mit einem Gefühl von Motivation und Stolz verlasse, anstelle von Frusttration und Hilflosigkeit.

Ich werde vermissen, die EcologyClass. Unser eigenes Projekt, was so viel Spaß gemacht hat und mir gezeigt hat, dass man manchmal einfach den Mut haben muss, etwas eigenes auf die Beine zu stellen, damit sich tolle Möglichkeiten entwickeln.

Ich werde vermissen, vom fremden Menschen gefragt zu werden, wie es mir geht, wo ich hin möchte und wie ich heiße. Das erstaunte Lachen, wenn ich sie verstehe und antworten kann. Die freundlichen Bekanntschaften, die ich so gemacht habe.

Ich werde vermissen, den Atlantik. Das strahlende blau, die unvorstellbare Weite, die kleinen Fischerboote, die auf dem Wasser hin und her tänzeln und das erfrischende kühle Nass.

Ich werde vermissen, das laute Zirpen der Grillen, welches mich abends in den Schlaf begleitet, sowie die Gesänge der Vögel und das Krähen des Hahnes, von dem man morgens geweckt wird.

Ich werde vermissen, die Belebtheit Ghanas. Egal, ob in dem ländlichsten Dorf oder in den großen Städten : jede Ecke ist mit Leben erfüllt. Sei es die vielen Kinder, welche auf den Straßen spielen, lachen und tanzen oder auch die Tiere, die Ziegen, Kühe und Hühner, die überall frei herumlaufen. Sei es das Gewusel der Verkäufer und Straßenstandbesitzer oder die spontanen Tanzpartys zwischen den Hütten. Nirgendwo trifft so viel Leben aufeinander, wie auf den Wegen Ghanas.

Ich werde vermissen, unsere Wanderungen durch den Regenwald. Diese unberührte, vollkommene, harmonische Natur. Farben so bunt, Formen so bizarr und Klänge so lebensvoll, dass es alle Vorstellungen und Imaginationen übertrifft.

Ich werde vermissen, unsere gemütlichen Kochabende, oftmals bei Kerzenlicht, bei denen wir auf eigene Faust versucht haben, ghanaische Gerichte nach zu kochen oder mit den wenigen Lebensmitteln, die uns zur Verfügung standen, nach dem Vorbild von heimischen Leckereien zu improvisieren.

Ich werde vermissen, von den Wochenendausflügen nach Hause zu kommen. Das Tor der Schule zu öffnen, hinter dem der Hausmeister uns lächelnd mit einem knappen aber dafür umso ehrlicheren und warmherzigen ’Akwaaba‘ (=Willkommen) erwartet.

Ich werde vermissen, ghanaisch zu essen. Egal, ob das frische Obst, welches neben den Straßen in riesigen bunten Haufen zusammen getragen wird oder die fettigen Bofrot-Bällchen, welche über dem Feuer frittiert und dann in Holzkisten auf dem Kopf herumgetragen werden. Von Fufu und Kelewele über Ampesie und Wakye... die scharfen und anfangs gewöhnungsbedürftigen Gerichte werden mir fehlen.

Ich werde vermissen, die langen Trotro-Fahrten, bei denen das Land wie ein endloses Wimmelbild an einem vorbeizieht: die vielen Dörfer, die grüne Natur und die geschäftigen Menschen... es gab immer etwas neues, aufregendes, schönes und auch erschreckendes zu sehen... auf genau diesen Fahrten, wenn ich die Kopfhörer in den Ohren, am Fensterplatz sitzend, oftmals dem Sonnenuntergang entgegen gefahren bin, habe ich mich in das Land und die Menschen verliebt.

Ich werde vermissen, die wöchentlichen Marktgänge. Die vermischten Rufe der Händler, die laute, fröhliche Musik und das allgemeine bunte Treiben, durch das man sich schlängelt.

Ich werde vermissen, meine Freunde. Sandra, ohne die wir das Jahr nicht überstanden hätten. Madam Gloria, die uns geduldig erklärt hat, wie man ghanaisch kocht. Adisa, Edith, Beatrice, Ryan, Estella, Jeremiah, Betwell, Blessing und die ganzen anderen Kinder, mit denen ich täglich gekuschelt, gespielt und gelacht habe. Grandpa, der unser Anker im Projekt war und immer ein guter Ansprechpartner bei Fragen und Problemen. Der Obstverkäufer von gegenüber, unsere Schneiderin Ernestina, die Frauen aus dem Postoffice, die Kinder von der Straßenecke und die ganzen anderen lieben Menschen, die man tagtäglich getroffen hat und die einem das Gefühl gegeben haben, zuHause zu sein. Kojo und Letitia die dafür gesorgt haben, dass ich mich nie einsam gefühlt habe. Madam Gifty, die uns mit großer Begeisterung Twi beigebracht hat. Barakabena, der uns bei so manchen Tier-Plagen gelassen zur Seite stand und jegliches Problem mit seiner Machete beseitigen konnte. Maxwell, der selbst um fünf Uhr morgens beim Sport gute Laune verbreiten konnte. Sir Mohammed, der zumindest versucht hat, uns Arabisch beizubringen, sowie die ganzen anderen lieben Menschen aus dem Sygma-Team. Und natürlich Lisa, die über die ganze Zeit hinweg nicht nur meine Mitbewohnerin und Kollegin war, sondern meine Verbündete und meine beste Freundin. MEDAASE!


Wie ihr seht, werde ich vermissen.  

Die einzelnen "Vermiss-Momente" habe ich während meiner Zeit in Ghana gesammelt, so dass gegen Ende des Jahres dieser Blogbeitrag daraus geworden ist. Das Schreiben für den Blog werde ich übrigens auch vermissen! DANKE nochmal an das ganze positive Feedback, nicht nur zu der Freiwilligenarbeit, sondern auch zu diesem Blog. Danke, dass ihr mich unterstützt und verfolgt habt und auf dieser Seite so aktiv ward (mittlerweile sind es schon gut 5000 Aufrufe!!)!


💛💛💛

 

Lotte

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