Darf ich vorstellen: Das Trotro (Teil 3)
Das Trotro als Diskussionsrunde
(Hier kommt ihr zu Teil 1 und Teil 2 meiner Trotro-Reihe und hier zu noch mehr Updates aus Ghana)
Trotro = Diskussionsrunde
Durch meinen bisherigen Aufenthalt in Ghana ist mir erst bewusst
geworden, wie isoliert man in Deutschland in der Öffentlichkeit ist. In einem
stinknormalen Linienbus zum Beispiel, wird normalerweise nicht geredet, jeder
ist für sich und meistens ist man sogar froh, wenn man keinen fremden
Sitzpartner hat und alleine gelassen wird. Auf den Straßen in meinem Dorf in
Deutschland, ist es oft still und leer, da das Privatleben der Menschen in den
Häusern stattfindet. Die Fenster haben Rollos oder Gardinen und die Gärten sind
durch Zäune oder hohe Büsche voneinander getrennt. So lebt man eher für sich
und das allgemeine Gemeinschaftsgefühl spielt, zumindest keine große, Rolle.
Meinem
Empfinden nach, ist das in Ghana anders.
Hier findet das Leben der Menschen zum größten Teil auf den
Straßen und den Plätzen vor den Häusern statt. Dort wird gekocht und gewaschen,
gequatscht und gearbeitet. Dementsprechend, wird auch alles gemeinsam erlebt. Jeder
im Dorf kennt jeden und man sieht Ghanaer selten alleine. Ganz am Anfang meines
Aufenthaltes hat mir mal ein Ghanaer erklärt: „We like to do things together!“
und „Sharing is caring!“. Man bezeichnet hier auch gerne mal fremde Menschen,
die einem gerade erst begegnet sind, als „Sister“ oder „Brother“ und generell
habe ich das Gefühl, dass es durch das intensivere Zusammenleben fast eine
Normalität ist, eine Unterhaltung mit jemand Fremden anzufangen. Zu dieser
Lebenseinstellung gehört auch dazu, dass viele Ghanaer die Probleme ihrer
Mitmenschen auch zu ihren eigenen Problemen machen. Vor allem bei den
Trotro-Fahrten fällt mir das oft auf. Beschwert sich jemand wegen des Preises
oder des Fahrstils des Fahrers, mischt sich meistens das ganze Trotro mit ein,
sodass es ein einziges lautes hin und her Diskutiere entsteht und jeder einmal
seinen Kommentar zu der Situation abgibt (gerne auch mal durcheinander).
Manchmal fühlt man sich dann, als wäre man inmitten einer Diskussionsrunde oder
einer Talkshow gelandet, nur das diese eben ein wenig ausartet. Erst letzte
Woche konnten Lisa, Maren und ich im Trotro wieder einmal eine Diskussionsrunde
über uns ergehen lassen. Wir wurden gerade von einem Trotro-Mate angesprochen,
ob wir bei ihm mitfahren wollen, als ein viel volleres Trotro anhielt. Da es
zeitsparender ist, in ein volles Trotro einzusteigen (schließlich fahren sie
erst los, wenn jeder Platz belegt ist), haben wir uns dann doch für das zweite
Trotro entschieden. Hätten wir gewusst, welche Lawine wir damit lostreten,
hätten wir das wahrscheinlich sein lassen... Denn kaum hatten wir uns hingesetzt,
fingen die Trotro-Mates an, sich um uns zu streiten. Aus den lauten Twi-Rufen
konnten wir nur mehrmals „Obroni, Obroni“ (=Weiße) heraushören. Anscheinend
gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, dass man seinen Trotro-Kollegen keine
Kunden abwerben darf. Auch die anderen Insassen des Wagens, hatten mittlerweile
ihre Meinungen kundgegeben und als weitere Steigerung der Diskussionsrunde, kamen
dann noch einige Männer hinzu, die, zumindest nach unserer Einschätzung,
überhaupt nichts mit dem Problem zu tun hatten. Manchmal hat man das Gefühl,
dass es immer ein paar Ghanaer gibt, die nur so darauf warten, dass irgendwo
wieder eine Diskussion begonnen wird, an der sie sich beteiligen können. Hinter
uns, vor uns und auch neben uns wurde nun also wild gestikuliert und gestritten
und wir, um die es ja eigentlich ging, saßen mittendrin. Wir haben die
Streitereien demonstrativ ignoriert und schon einmal unser Proviant für die
Fahrt ausgepackt. Nach ca. fünf Minuten lauten Wortwechsels, hatte der Fahrer anscheinend
auch keine Geduld mehr, startete den Wagen und ließ die selbst erkorenen
Teilnehmer der Diskussionsrunde verdutzt am Straßenrand stehen.
Solche
Streitereien sind natürlich oftmals anstrengend und nervig, vor allem wenn es
sich eigentlich nur um Kleinigkeiten handelt, die dann aber ewig ausdiskutiert
werden. Es kann aber auch sehr angenehm und nützlich sein, weil man sich nie
alleine gelassen mit seinen Problemen fühlt und es immer jemanden gibt, der
einem hilft. Die Trotro-Mates trauen sich beispielsweise nicht, höhere Preise
von uns Obronis zu verlangen, da dann vermutlich
das ganze Trotro protestieren würde.
Auf derselben Fahrt ist Maren übrigens aufgefallen, dass sie
ihre Kreditkarte verloren hat. Sofort kümmerte sich ihr Sitznachbar um sie,
beruhigte sie, ordnete an, was als nächstes zu tun ist und teilte die Nachricht
nebenbei auch noch dem ganzen restlichen Trotro mit. So ist Ghana eben oft: Egal ob
Streitereien oder Probleme, ob gute oder schlechte Nachrichten; alles wird mit
den Mitmenschen zusammen erlebt und geteilt.
Und ich glaube, dass mir das zurück in Deutschland sehr
fehlen wird! In diesem Sinne, wenn ihr etwas Ghana-Feeling nach Deutschland
holen wollt, dann braucht ihr keinen Wärmestrahler oder Elefantenbesuche im Zoo.
Es reicht offen zu sein und kontaktfreudig… so verwandelt sich der langweilige
deutsche Linienbus vielleicht in ein ghanaisches Trotro. (Hart aber Fair gucken
kann man sich dann übrigens auch sparen!😉)
Liebe Grüße aus Nsawam,
Meinem Empfinden nach, ist das in Ghana anders.
Solche Streitereien sind natürlich oftmals anstrengend und nervig, vor allem wenn es sich eigentlich nur um Kleinigkeiten handelt, die dann aber ewig ausdiskutiert werden. Es kann aber auch sehr angenehm und nützlich sein, weil man sich nie alleine gelassen mit seinen Problemen fühlt und es immer jemanden gibt, der einem hilft. Die Trotro-Mates trauen sich beispielsweise nicht, höhere Preise von uns Obronis zu verlangen, da dann vermutlich das ganze Trotro protestieren würde.
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